
9. Januar 1943
Neujahr vorüber, immer dasselbe. Alarm. Angst um Röbi, Ungewissheit. Biba schickte mir eine Karte, demnach hat er ihm im November geschrieben, und zwar dass er krank im Lazarett liegt, nierenkrank und Herzfehler und als der große Dreck losging, musste er krank wieder zur Companie zurück. Ja und dann hörte ich nichts mehr. Meine Anfrage an das R. K. Genf kam zurück mit dem Bemerken von der Briefzensur, dass für diese Angelegenheiten das O.K.W. zuständig wäre. Ich war verzweifelt.
Nun ich hatte auch schon an das O.K.W. geschrieben und bekam nun heute folgende Mitteilung: Ihr Sohn, der Gefr. R. S. geb. … ist in Engl. Kriegsgefangenschaft. Nummer ist noch nicht eingetroffen. Solange nicht hier an folgende Adresse schreiben: German Prisoner of War Chief Postal Centre Middle East Egypt.
Ein Stein fiel mir vom Herzen. Er lebt. Er ist aus der Hölle. Ich freue mich, ich danke meinem und seinem Schöpfer. Ich habe die Aussicht, ihn wiederzusehen, wiederzuhaben, wenn es auch noch etwas dauert. Ich hoffe nun auf den Tag, wo ich Nachricht von ihm persönlich bekomme, ob er gesund ist und wie es ihm geht.
Ich versuche nun direkt an dich zu schreiben, ob du Röbi öfter einen lieben Brief schreiben kannst. Wäre das doch schön. Ob Jack etwas für ihn tun kann? Na, ich will sehen, was wir machen können, du Lotte, ich bin überzeugt, dass du für deinen kleinen Röbi auch alles tust was in deiner Macht steht, denn das ist deine heilige Pflicht deiner Mutter gegenüber, die dich zum erstenmale in deinem Leben ernsthaft um etwas bittet; aber ich weiß auch, dass dieses keiner Fragen bedarf, dass du für deinen Bruder alles tun wirst. Hauptsache ist, wie bringe ich es dir bei?
Anmerkung von Clare Westmacott: Röbi musste am 21. April 1942 nach Afrika aufbrechen. In Libyen griff Rommel im Mai 1942 die britische Wüstenarmee an und nahm am 21. Juni Tobruk ein; zwei Tage später erreichte er Ägypten. Ende Juni erreichte er El Alamein und war nicht mehr weit entfernt von Alexandria und dem Nildelta. Rommel setzte seine Offensive am 31. August fort, um die achte britische Armee zu schlagen und Alexandria einzunehmen. Nach einer heftigen Schlacht zog Rommel sich zurück. Er ging aus gesundheitlichen Gründen nach Österreich, kehrte am 24. Oktober auf Befehl Hitlers aber zurück.
Als Rommel westlich von El Alamein eintraf, war die Schlacht für Deutschland faktisch bereits verloren. Der zwischenzeitliche Befehlshaber General Stumme war an einem Herzinfarkt gestorben. Die britische Armee hatte Verstärkung erhalten und die Truppen der Achsenmächte überwältigt. Die britische Luftwaffe bombardierte Nachschub, Truppen und Stellungen. Am 2. November gelang den Truppen von Montgomery der Durchbruch.
Hitlers Antwort auf Rommels Vorschlag zum Rückzug lautete:
“Mit mir verfolgt das deutsche Volk in gläubigem Vertrauen auf Ihre Führerpersönlichkeit und auf die Tapferkeit der Ihnen unterstellten deutschen und italienischen Truppen den heldenhaften Abwehrkampf in Ägypten. In der Lage, in der Sie sich befinden, kann es keinen anderen Gedanken geben als auszuharren, keinen Schritt zu weichen und jede Waffe und jeden Kämpfer, die noch freigemacht werden können, in die Schlacht zu werfen. (…) Ihrer Truppe (…) können Sie keinen anderen Weg zeigen als den zum Siege oder zum Tode.“
Rommel hatte den Rückzug tatsächlich bereits begonnen und tat sich schwer damit, den Befehl zu befolgen, während der faktische Befehlshaber des deutschen Afrikakorps, General von Thoma, Hitlers Befehl als Wahnsinn und Todesurteil für die deutsche Truppen und ihre italienischen Alliierten bezeichnet haben soll. Am 4. November 1942 wurde von Thoma von Briten gefangenengenommen, neben einem brennenden Panzer stehend. NOch am selben Abend aß er zusammen mit Montgomery in dessen Hauptquartier.
Rommel bat erneut um Erlaubnis zum Rückzug und gab entsprechende Befehle noch bevor Hitlers Antwort eintraf. Montgomery überrannte die deutschen und italienischen Truppen. Rommel und seine Verbündeten verloren 54.000 Mann – 9.000 starben, 15.000 wurden verwundet, 30.000 kamen in britische Gefangenschaft.
Röbi zählte zu den Kriegsgefangenen, und er wurde besonders gut behandelt, als die Engländer herausfanden, dass seine Schwester in England lebte. Er hatte ein Foto von ihr und ihrem Mann, meinem Vater, das während der Flitterwochen in Schottland aufgenommen worden war und auf dem die beiden neben einem Auto mit britischem Nummernschild standen. Auf der Rückseite stand eine Widmung für Röbi.
(Sources: William L. Shirer, The Rise and Fall of the Third Reich: A History of Nazi Germany, Simon and Schuster, New York 1960; Alexander Querengässer, El Alamein 1942: Materialschlacht in Nordafrika, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2019; statista.com)
Der nächste Eintrag folgt am 10. Februar. Alle bisherigen Einträge auf der Seite “Das Tagebuch”.
9 January 1943
New Year has passed. Always the same. Air raid warnings; worry about Röbi. The not knowing. Biba sent me a card, after I wrote to him in November, to tell me he was ill with his nerves and his heart and that when the big push began he had to return sick to his Unit. I have heard nothing more about him. My enquiry to the Red Cross in Geneva about Röbi came back with an observation from the Post Office that this enquiry should be dealt with by the OKW. I was confused. I had already written to the OKW and been told nothing.
And then today I got this news: “Your son Private R. S. is an Engl. prisoner of war. No number yet. Meanwhile write to adress: German Prisoner of War Chief Postal Centre Middle East Egypt”. A stone fell from my heart. He is alive. He is out of the hell. I am so happy. I thank his and my Creator. I have the chance of seeing him again, even if it takes time. I long for the day when I hear from him personally, if he is healthy and how he is doing.
I will write to you immediately. Can you send Röbi a nice letter straightaway? Lotte, I am sure that you will do everything you can for your little Röbi. You must do this. It is your duty to your mother, who is making this plea for the first time in your life. But I know this is not a big request. I know that you will do everything in your power for him. The main question though is this. How do I get this information to you?
Note by Clare Westmacott: Röbi had left for Africa on April 21 1942. In Libya at the end of May 1942 Rommel launched a swift attack against the British desert army and on June 21 he captured Tobruk and two days later he entered Egypt. By the end of June he had reached El Alamein and was only sixty five miles from Alexandria and the delta of the Nile. Rommel resumed his offensive on August 31 intending to finish the British Eighth army and capture Alexandria and the Nile. However after a violent and unsuccessful battle Rommel went on the defensive. He also went to Austria on sick leave on account of an infection and liver disease but on October 24 he received a telephone call from Hitler ordering him to return to Africa.
By the time Rommel arrived back at his headquarters west of El Alamein the following evening, the battle of El Alamein was effectively lost. General Stumme had died of a heart attack. The Eighth Army had received reinforcements and overwhelmed the Axis divisions. The RAF were supreme and were pounding his supplies, troops and armour. On November 2 Montgomery’s infantry broke through on the southern edge of the front and began to overwhelm the Italian divisions there.
Hitler’s response to Rommel’s request to withdraw was as follows:
“I and the German people are watching the heroic defensive battle being waged in Egypt with faithful trust in your leadership and in the bravery of the German-Italian troops under your command. In the situation in which you now find yourself, there can be no other consideration save that of holding fast, of not retreating one step, of throwing every available gun and every available man into the battle. You can show your troops no other way than that which leads to victory or death.”
Rommel had actually started the withdrawal and resolved with difficulty to obey these orders, although the actual commander of the German Afrika Corps, General von Thoma is quoted as calling Hitler’s order madness and a death sentence for the German troops and their Italian allies. On November 4, 1942, von Thoma was captured by the British standing near a burning tank. That evening he dined with Montgomery at his headquarters mess!
Rommel again sent a message asking for permission to withdraw and gave orders even before the approval from Hitler came. Montgomery overran them. At the second battle of El Alamein Rommel lost 54,000 men, Germans and allies, of which 30,000 were captured, 15,000 wounded an 9,000 killed.
Röbi was among the captured and was particularly well looked after when the English discovered he had a sister living in England. He had on him a photograph of her and my father taken on their honeymoon in Scotland, standing by a car with English registration plates and a dedication to him on the back.
(Sources: William L. Shirer, The Rise and Fall of the Third Reich: A History of Nazi Germany, Simon and Schuster, New York 1960; Alexander Querengässer, El Alamein 1942: Materialschlacht in Nordafrika, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2019; statista.com)
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